BEGEGNUNG IN DER SAUNA
Feucht, warme Luft strömt in meine Lungen.
Um mich murmeln Menschenstimmen.
Die Hitze der abgeklingenden Glut, ein Züngeln in meinem Rachen.
Brennende Lebendigkeit.
Ich sitze in einer öffentlichen Sauna im Westen von Graz und warte auf den Aufguss.
Ich habe Timo und mir eine Auszeit verordnet und organisiert.
Zusammen etwas Nährendes tun.
Kein Gequatsche, planen, visionieren.
Einfach zusammen sein.
Wenig Worte.
Schwitzen.
Reinigung.
Eine nebeneinander Innenschau.
Oder einfach mal eine Garnix-Schau inmitten von Hitze und Eisbecken.
Ah, es geht los.
Der Saunameister taucht auf.
Wedelt gekonnt frische Luft in die Hitzehöhle.
In mir blubbert respektvolle Vorfreude…zischende Luftströme auf meiner Haut…mhhh, heißes Genießen.
Da beugt er sich, der Meister der Glut, zu mir herab.
Blickt schräg an mir vorbei, in seinen Bart mumelnd.
Mir murmelt es im Bauch…
‘Im Saunabereich sind keine Textilien erlaubt’, erahne ich seine Worte.
Er geht weiter seine Runde, mich keines Blickes würdigend.
‘Äh…aber ich blute.’, spricht eine kleine Stimme aus mir heraus, ‘ich habe extra am Vortag hier angerufen und gefragt, ob ich eine Badehose anziehen darf, weil ich den ersten Tag meiner Blutung stark blute…die Frau am Telefon hat ja gesagt, das geht in Ordnung’.
Kein Blick.
Kein Gegenüber.
Stille Blicke ummanteln mich, bilden mir eine Bühne.
Betretenes Schweigen.
Das Publikum der Saunalandschaft lauscht dem Szenario.
Ein leises Feuer wächst in meinem Schoßraum.
Wut.
Wut – Kraft.
Rote Scham.
Ein spannender Cocktail erhebt mich.
‘Hey, was bedeutet das denn jetzt…darf ich bleiben, muss ich gehen?’, spreche ich der ungreifbaren Hülle Saunameistermensch von hinten in den Rücken.
Stehengelassen in meiner gelb- weiß gestreiften Badehose, umrahmt von rund 70 Menschen, bilde ich unerwartet den Mittelpunkt des Freitag, 15:00 Uhr Aufguss im Westen der steirischen Toskana.
Schamesrot finde ich Halt, Orientierung und Klarheit in meinem lebendigen, mir innewohnenden Feuerdrachen.
Dialog suchend gehe ich vor die Sauna, wo sich Meister eins und Meister zwei über die Situation der blutenden, regelbrechenden Frau unterhalten.
‘In der Saune ist Textilverbot, keine Ausnahme. Die Frau an der Kasse, die Ihnen Auskunft gegeben hat, ist dazu nicht autorisiert.’, sagt mir Saunameister 2.
Ein Schwall an unsortierten Emotionen, Gedanken, Impulsen quillt in mir hoch.
Mein Feuerdrache, die Welle der Präsenz reitend, trägt mich durch eine erstaunliche Performance.
Da ist Verständnis für die Enge des fehlenden Spielraums für Lebendigkeit in der statischen Regel.
Mitgefühl für den Widerstand, im angsterfüllten Zwischenraum der unsicheren Begegnung.
Erfüllende Wahrheit, als etwas in mir den erstaunten Meistern der Güsse vom heilenden, reinigenden Blut zyklischer Wesen und gemeinschaftlichem Bluten in Monhütten überliefert.
Vom Leben im Kreis,
vom Zyklus, der bei Anerkennung und in Fluss, Frieden bringt.
Vom Leben in Einklang mit der Erde.
Und wieder einmal, wie schon so oft in meinem Leben, habe ich gespürt, dass selbst im größten Wirbel, ich nie vom Kern verlassen bin.
Und dass das spürbar ist und resoniert im Gegenüber,
in einem Hauch von Öffnung.
Zurück bleibt ein starker Abdruck.
Erschütterung, Betroffenheit der Starre und der Kälte.
Und über allem,
unter allem, neben allem etwas,
das mich da sein lässt und weiß,
dass es mein Weg ist dran zu bleiben,
zu lauschen,
aufzubrechen,
herzvoll zu überschreiten.
Mit Gefährtin Feuerdrache,
unser Auftrag,
das Leben selbst,
nie aufhören wollend,
sich gnadenvoll zu weiten.
۵
BEGEGNUNG
Drei Elemente dieser Geschichte haben mich nachhaltig am meisten erfasst.
Einmal der Widerstand, den ich im Beziehungsraum gespürt habe, sich zu begegnen.
Die fehlende Kapazität und das fehlende Interesse, sich in die Augen zu sehen und einander zuzuhören.
Wäre ich nicht dran geblieben, in Dialog zu treten, hätte man uns wortlos den Eintritt zurückgegeben und das wäre es gewesen.
MITFÜHLENDER RAUM
Das zweite Element ist der mitfühlende Raum, den ich in mir betreten konnte.
Erst nach innen. Den Raum für mich selbst haltend. Die Anteile in mir, die so viel Scham erlebt haben, oder die Selbstkritikerin, die mir erzählt hat, dass ich mich nicht so haben soll, dass ich eine Ruhe geben soll…oder die Teile, die fliehen wollten, einfach nur schnell raus hier. Alles durfte, Schritt für Schritt, da sein und wurde im warmen Licht des Mitgefühl willkommen geheißen.
Dann nach außen. Den Raum für mein Umfeld haltend.
Rückblickend ist da Ruhe und Mitgefühl für den Mann, der mir nicht in die Augen sehen konnte.
Ich kann nur interpretieren, was bei ihm los war. Das ist tieferliegend auch irrelevant. Etwas in ihm wollte nicht, konnte nicht näher kommen, da sein, in Kontakt gehen. Etwas in ihm hat etwas in ihm beschützt.
Ich kann ihn als Jungen sehen. Voller Leben und Lebendigkeit. Da spüre ich Bedauern. Eine Sehnsucht nach Verbindung.
WAHRE WORTE
Das dritte Element, das mich bewegt, sind die Momente, in denen Wahrheit gesprochen wird. Damit meine ich, dass das, was gesagt wird, von einem Ort der Anbindung kommt. Es spricht das innere Wesen. Das landet, wenn es einen Hauch Empfänglichkeit/Offenheit beim Gegenüber gibt, als Berührung. Etwas wird getroffen.
Das gibt mir Hoffnung und ermutigt mich, an etwas dran zu bleiben, auch wenn es herausfordernd ist.
In meiner Erfahrung führt ein wahres Wort meistens zur Perle in der Auster die man im wachen Zustand finden und erkennen kann.
DEMUT, DANKBARKEIT
Meine Perlen in der Auster sind Demut und Dankbarkeit.
Ich habe aus dieser Herausforderung vielschichtig geschöpft.
Wieder einmal erlebe ich, dass es für mich nichts zu wissen gibt, sondern der Weg in mein schönes Leben ist das Lauschen und schlussendlich das Ernten, weil ich in der Stille erkennen kann.
Dafür bin ich dankbar.
Zutiefst dankbar.
Und da ist auch ein Schmunzeln im Ganzen…denn dank Timo, der den nächsten Schritt im Augenblick des Wirbels erkannt hat, sind wir letztendlich in einem Hotel bei Graz mit Sauna gelandet.
Da waren wir zu zweit.
Und haben nach dem ganzen Theater geschwitzt und auf die Bäume geschaut und uns ausgeruht, so wie von uns ersehnt, nur mit viel weniger drumherum, was letztendlich, du ahnst es vermutlich schon, am Ende gefühlt viel mehr war als gewünscht.
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